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Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Parodontologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:
Bakterielle Plaque: Was sie bewirkt und wie man sie effektiv entfernt – Initiative Sanfte Mundpflege. Die Entzündungskrankheit Parodontitis ist eine der großen Gefahren für die Mundgesundheit. Sie kann für die Betroffenen den Verlust einzelner oder gar mehrerer Zähne bedeuten und sich darüber hinaus negativ auf die Allgemeingesundheit auswirken. Verantwortlich für die Parodontitis ist eine Verschiebung des subgingivalen Keimspektrums in Richtung Parodontitis-verursachende Bakterien. Zunächst kommt es zu einer Entzündung des Zahnfleischs (Gingivitis), die sich durch Bluten und Schwellung bemerkbar macht.
Werden keine Gegenmaßnahmen eingeleitet, kann sich aus so einer an sich reversiblen Gingivitis eine irreversible Parodontitis entwickeln, die schließlich den Abbau des Zahnhalteapparats bewirkt. Die Ursache sind bestimmte Bakterien, die sich in Zahnbelägen im menschlichen Mundraum finden. Was heute über diese sogenannten Biofilme bekannt ist, und wie sie sich im Rahmen einer Parodontitis-Prophylaxe am effektivsten entfernen lassen, erläutert der folgende Beitrag.
Bei der Parodontitis handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung, die den Zahnhalteapparat befällt. Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ist die Parodontitis sogar die häufigste Ursache für Zahnverlust ab dem 45. Lebensjahr [1]. Sie ist neben Karies die am weitesten verbreitete Krankheit im Mundraum – allein in Deutschland leiden 52,7 Prozent der Erwachsenen unter einer mittelschweren Ausprägung [2]. In der Regel folgt die Parodontitis auf eine Gingivitis und führt dabei zunächst zu Taschenbildung und Knochenabbau, später auch zu Zahnlockerung und Zahnverlust. Ebenso wie die Gingivitis wird auch die Parodontitis durch Bakterien in der Plaque ausgelöst. In diesem Fall spricht man von einem pathogenen Biofilm, der unter anderem durch ungenügende Mundhygiene zum Problem wird.
Bakterieller Biofilm – Brutstätte der Parodontitis
Wie an Schiffsrümpfen, Rohrwandungen oder in heißen Quellen, stellen auch die Biofilme im menschlichen Körper eine typische Lebensform dar. Bakterien leben dabei am liebsten in Form von mikrobiellen Aggregaten wie Filmen, Flocken, Belägen oder Schlämmen. Zu 90 Prozent bestehen Biofilme aus Wasser; 60 bis 95 Prozent des Trockengewichts sind die extrazellulären polymeren Substanzen (EPS), die von Bakterien produziert werden und das stabile Gerüst der Biofilme bilden. Bakterien sind im menschlichen Organismus sogar um das Zehnfache zahlreicher als die eukaryontischen Wirtszellen. Bei genauer Betrachtung der Mikromorphologie eines Biofilms stößt man auf Poren, Kavernen und Gänge, wie in einem Ameisenbau oder in einer Stadt [3].
Nicht zuletzt deswegen spricht die Fachwelt heute von der „city of microbes“ [4]. Charakteristisch für diese Organisationsform ist es, dass sich die einzelnen beteiligten Mikroorganismen nach einer sogenannten Induktionsphase und anschließender Akkumulation einer „kritischen Masse“ miteinander verständigen („quorum sensing“), bestimmte Funktionen übernehmen wie „Arbeiterinnen“ und „Königinnen“ und resistent werden gegen natürliche oberflächenaktive Stoffe und gegen die Immunabwehr durch Phagozytose [5].
Im gesunden Zustand existiert eine natürliche Bakterienflora aus verschiedenen Bakterienstämmen, die metabolisch kooperieren und sogar untereinander kommunizieren. Ein gewisser Anteil pathogener Bakterien, der aber so gering ist, dass er keine krankheitsauslösende Wirkung hat, ist normal. Aus verschiedenen Gründen kann sich jedoch das Verhältnis weiter zugunsten der schädlichen Mikroorganismen verschieben: Es drohen Infektionen.
In der sogenannten Existenzphase führen selbst starke Scherkräfte nur noch zu einer Zusammenstauchung des Biofilms bei gleichzeitiger Verfestigung. Die an der Zahnoberfläche adhärenten Schichten werden von praktisch luftdichten Deckschichten abgeschirmt, sodass namentlich die Anaerobier munter Toxine ausscheiden und damit Entzündungsreaktionen auslösen können. Ein zwischenzeitlicher Nahrungsmangel stellt übrigens kein Problem dar. Zum Beispiel der Kariesauslöser Streptococcus mutans kann sich eine ganze Weile von dem umgebenden, selbst produzierten Biofilm ernähren [5].
Aufgrund des hohen Organisationsgrads von Biofilmen ist es kein Wunder, dass ältere Experimente mit Mikroorganismen in planktonischem Zustand beziehungsweise in Suspensionen als obsolet und ihre Ergebnisse als wertlos für ein modernes Biofilm-Management gelten müssen. Aktuell werden daher In-vitro-Experimente in speziellen Reaktoren durchgeführt. Die Beobachtungen erfolgen unter anderem mithilfe der konfokalen Laser-Scanning-Mikroskopie, einem bildgebenden Verfahren, das ähnliche Abbildungen (zum Beispiel von Querschnitten) liefert wie die bekannte Computertomographie. In-vivo-Untersuchungen erfolgen bevorzugt mittels intraoralen Schienen, wobei anhand der herausnehmbaren Trägerplättchen aufgewachsene Biofilme erforscht werden und die Möglichkeit zur Markierung einzelner Keime mit Gensonden genutzt wird [3].
Man täusche sich aber nicht! Längst ist unser Wissen noch nicht vollkommen, denn nur rund 500 Bakterien der menschlichen Mundhöhle können wir heute kultivieren oder zumindest identifizieren und untersuchen. Der Rest der schätzungsweise 800 bis 1.100 verschiedenen Bakterien liegt weitgehend im Dunkeln. Dennoch stellt sich uns selbstverständlich täglich die Aufgabe, die potenziell schädigenden Mikroorganismen des Biofilms effektiv zu bekämpfen und somit auch der Parodontitis frühzeitig Einhalt zu gebieten [5].
Zu diesem Zweck gibt es verschiedene Methoden, deren Effektivität teilweise wissenschaftlich sehr gut belegt ist. Neben der regelmäßigen Prophylaxe beim Zahnarzt ist dabei definitiv die häusliche Mundhygiene die tragende Säule. Im Folgenden sollen mit der elektrischen Zahnreinigung, der Interdentalraumpflege und der Verwendung von Mundspüllösungen drei Möglichkeiten zur Entfernung von Biofilmen sowie ihre jeweilige Wirksamkeit anhand der heutigen Studienlage beleuchtet werden.
Erfolgreiche Prophylaxe: eine Frage der (Putz-)Technik
Die mechanische Plaqueentfernung mit Zahnbürste und fluoridhaltiger Zahncreme zählt zu den klassischen, bewährten Methoden der häuslichen Prophylaxe. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der Erfolg dabei maßgeblich von der verwendeten Zahnbürste und deren Putzprinzip beeinflusst wird. Heutzutage werden immer häufiger elektrische Zahnbürsten empfohlen und verwendet – ein berechtigter Trend, wie die Daten aus der Forschung belegen. So zeigte beispielsweise eine vergleichende klinische Studie von Wolff et al. [6], dass oszillierend-rotierende Elektrozahnbürsten sowohl außergewöhnlich gründlich als auch besonders schonend putzen. Die dabei eingesetzte Oral-B-Professional-Care-Elektrozahnbürste führte im Vergleich zur manuellen ADA-Referenzzahnbürste zu einem deutlichen Rückgang von Rezessionen an bukkalen Oberflächen der Gingiva. Mit der manuellen Putztechnik hingegen konnte keine Verbesserung der Rezessionen erzielt werden.
Im gleichen Jahr veröffentlichte die renommierte Cochrane Collaboration eine umfangreiche Metastudie [7], bei der ebenfalls die Putzleistung von Hand- und Elektrozahnbürsten verglichen wurde. Als Grundlage für diese Analyse dienten 42 Studien mit insgesamt 3.855 Teilnehmern. Das internationale Netzwerk von Wissenschaftlern und Ärzten, das sich an den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin orientiert, kam zu folgendem Ergebnis: „Zahnbürsten mit oszillierend-rotierenden 3-D-Putzbewegungen entfernten Plaque und verminderten Zahnfleischentzündungen kurzfristig wirksamer als Handzahnbürsten und konnten Zahnfleischentzündungen langfristig reduzieren.“
Bestätigt wurde die Überlegenheit der elektrischen Zahnbürsten mit oszillierend-rotierender Putztechnologie im Jahr 2007 auch von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). In ihrer Stellungnahme betonte die wissenschaftliche Fachgesellschaft darüber hinaus die schonende Wirkungsweise dieser Reinigungstechnik: „Bürsten mit oszillierend-rotierender Bewegungscharakteristik sind Handzahnbürsten bezüglich Plaqueentfernung und Gingivitisreduktion in Kurz- und Langzeitstudien überlegen, ohne dass ein erhöhtes Traumatisierungsrisiko besteht.“ [8]
Diskussion
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Parodontitis eine erhebliche Gefahr für die Mundgesundheit ist. Heutige Forschungen offenbaren zudem vermehrt Zusammenhänge zwischen Allgemeingesundheit und Parodontitis: Bei Diabetikern beispielsweise kann sie zu einer unzureichenden Stoffwechsellage führen. Darüber hinaus legen mehrere klinische Studien eine Verbindung zwischen Parodontitis und Schwangerschaftskomplikationen nahe. So hatten schwangere Frauen mit parodontaler Erkrankung in der Metaanalyse von Khader und Ta’ani [9] ein 4,3-fach höheres Risiko für eine Frühgeburt. Einer Entzündung des Parodonts entgegenzuwirken, ist dementsprechend in vielerlei Hinsicht sinnvoll.
Wie zuvor beschrieben, spielt dabei die regelmäßige Entfernung des Biofilms im Mundraum eine zentrale Rolle. Die Studienlage ist in dieser Hinsicht eindeutig: Elektrozahnbürsten mit oszillierend-rotierendem Putzprinzip leisten einen wesentlichen Beitrag bei der Vorbeugung sowie der Therapie von Parodontitis, da sie den Biofilm effektiver entfernen als Handzahnbürsten und dabei genauso schonend sind.
Begleitet werden sollte die häusliche Mundpflege zudem von regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen und Terminen zur Professionellen Zahnreinigung inklusive subgingivaler Kürettage beim Zahnarzt. Aufgabe der Assistenz ist es an dieser Stelle, mithilfe eines strukturierten Recall-Systems für den gewünschten Erfolg zu sorgen. Bei Patienten mit eingeschränkten motorischen Fähigkeiten und bei allen, die ihre Mundhygiene verbessern müssen, kann adjuvant eine Mundspüllösung zum Einsatz kommen, um die Keime in der Restplaque abzutöten.
Fazit für die Praxis
Zahnarzt und Team sollten den Patienten zu einer regelmäßigen und effektiven Mundpflege motivieren. Im Idealfall erfolgt diese mit einer Elektrozahnbürste. Es versteht sich von selbst, dass die Empfehlung einer elektrischen Zahnbürste mit einer Prophylaxeinstruktion sowie mit weiterführenden Erläuterungen zum Thema Parodontitis einhergehen sollte.
Mit einem gut organisierten Untersuchungszyklus ergeben sich zudem immer wieder Möglichkeiten zur Remotivation, zur Überprüfung der Putzergebnisse sowie zur Behandlung einer vorliegenden Parodontitis. Unterstützung kann der Patient außerdem durch Professionelle Zahnreinigungen und gegebenenfalls durch die Verordnung einer chlorhexidinhaltigen Mundspüllösung erfahren.
Prof. Dr. Nicole Arweiler, Marburg
Quelle: www.dzw.de