• Neues zum Thema Parodontologie

Neues rund um das Thema Parodontologie

Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Parodontologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:


Versorgung zahnloser Kiefer

Sind konventionelle Totalprothesen heute noch zeitgemäß? – Diese Frage, die mit der ausgezeichneten Dissertation von Christiane Walther [1] aufgrund einer umfassenden Literatur- und sonstigen Recherche mit einem „Ja, aber …“ beantwortet worden ist, wurde im Lauf der vergangenen zwei Jahrzehnte immer häufiger gestellt, da die kontinuierliche Weiterentwicklung der Oralimplantologie insbesondere die kombinierte Versorgung mit Implantaten und Prothesen im Unterkiefer eine wesentliche Alternative bietet.

Wenn auch der Verlust von Zähnen mehr und mehr vermieden werden konnte [2, 3], blieb die Zahl der Totalprothesen innerhalb der gesetzlichen Krankenversorgung zum Beispiel zwischen 1993 und 1997 fast konstant (ca. 600.000 OK- und 300.000 UK-Prothesen), während die Werte zwischen 1999 und 2008 ständig schwankten (480.000 bis 570.000 OK- und 280.000 bis 310.00 UK-Prothesen) [1, 4]. Im Zusammenhang mit der Zunahme der kombinierten Versorgung haben sich auch die Zahl und der Inhalt von Publikationen zur Totalprothetik verändert [1]. Zwischen 1965 und 1989 gab es etwa 3.900 Veröffentlichungen, von denen knapp 100 bereits die kombinierte Versorgung behandelten. Von 1990 bis 2004 waren rund 800 Beiträge über die konventionelle Totalprothetik und an die 300 Beiträge über die kombinierte Versorgung zu verzeichnen [1].

Totalprothetik mit und ohne Implantatverankerung Der Unterschied zwischen der Versorgung mit totalen Prothesen im Jahr 1982 und 2007 wird durch den Inhalt der ersten und der dritten Auflage des Thieme-Buchs Zahnärztliche Prothetik [5, 6] offenkundig: War am Anfang der Achtzigerjahre die kombinierte Versorgung noch die große Ausnahme, wurde 2007 – auch von Christiane Walther [1] – die Fixierung der Unterkieferprothesen mit Implantaten vom wissenschaftlichen Standpunkt her als die bessere Therapie angesehen.

Die Beiträge von M. Walter [7], J. Setz, E. Körber [8], E.-J. Richter [9] und H. Stark [10] im zuvor erwähnten Lehrbuch [7] erläutern die inzwischen vielfältigen Therapiekonzepte, die vor allem die Anforderungen an zeitgemäßen Zahnersatz für ältere Menschen erfüllen [10]. Am weitesten verbreitet ist die konventionelle Verfahrensweise [8]: • anatomische Abformung für die Anfertigung individueller Abformlöffel, • Funktionsabformung mit individuellen Abformlöffeln, • Modellherstellung für Schablonen zur Kieferrelationsbestimmung, • Kieferrelationsbestimmung mit Gesichtsbogenübertragung und Einstellung der Funktionsmodelle im Artikulator, • auf den Modellen Prothesenformen in Wachs modellieren und Zahnaufstellung, • Einprobe der Wachsprothesen mit Kontrolle und Korrektur der Zahnaufstellung, • Prothesenherstellung, • Eingliederung der Prothesen, • Nachsorgesitzungen.

Nachteil dieser Verfahrensweise ist, dass Unterkiefer und Oberkiefer erst in der dritten Sitzung einander zugeordnet werden. Alternative Verfahren sind die All-Oral-Methode [8, 11] und die BPS-Methode [8, 12], bei denen die Kieferrelationsbestimmung schon beim ersten Arbeitsschritt vorgenommen wird [8].

Aus prothetischer Sicht sind die Versorgungskonzepte für den zahnlosen Ober- und Unterkiefer ähnlich, doch beim Einsatz von Implantaten bestehen aus chirurgischer Sicht erhebliche Unterschiede. Diese beruhen einerseits auf ästhetischen und funktionellen Besonderheiten, andererseits sind sie anatomisch bedingt.

Die zu versorgenden Patienten sollten wissen, welche Optionen bestehen [6–13]: Festsitzender Zahnersatz erfordert in der Regel wesentlich mehr Implantate als herausnehmbarer, wobei vor allem die anatomischen Verhältnisse die Realisierung festsitzender Konstruktionen erheblich erschweren können. Auf die Hygienefähigkeit ist zu achten, was insbesondere bei älteren und behinderten Patienten schwierig ist. Die Versorgung mit einer Deckprothese ist in jeder Hinsicht einfacher [1, 9, 10], wobei in jedem Fall ein funktionsstabiler Sitz im Mund zu gewährleisten ist [9]. Von E.-J. Richter werden je vier Versorgungskonzepte für den Ober- und den Unterkiefer beschrieben [9]:

Versorgung des Oberkiefers • Die Deckprothese wird auf vier Implantaten im frontalen Kieferbereich verankert, die mit einem Steg verbunden sind. Damit werden Divergenzen vermieden. Die Prothese kann gaumenfrei gestaltet werden. Diese Versorgungsform ist ein Standardkonzept und zugleich die Minimalversion. Dieses Konzept wurde zuletzt ausführlich von C.R. Spitzl et al. als Standardkonzept beschrieben [3]. • Die ebenfalls gaumenfreie Deckprothese wird auf vier bis sechs Implantaten verankert und die Stegkonstruktion nach beiden Seiten um ca. 8 mm verlängert, wobei die Prothese kombiniert auf dem Implantat und tegumental abgestützt wird. Bei skelettal prognather Kieferrelation und starker Kaumuskulatur sind Extentionen kontraindiziert. • Die graziler gestaltete, implantatgestützte Prothese wird an sechs bis acht Implantaten verankert, wobei beidseits für die posterioren Implantate eine chirurgische Sinusbodenanhebung notwendig sein kann. Zur besseren Stabilisierung sind die Implantate vor allem im frontalen Bereich durch Stege zu verbinden. • Bei diesem Konzept erfolgt die Versorgung mit festsitzenden beziehungsweise bedingt abnehmbaren Rekonstruktionen auf bis zu acht Implantaten. Dabei sind vor allem aus ästhetischer Sicht höchste Anforderungen des Patienten zu erfüllen, die aber im Rahmen der präoperativen Diagnostik äußerst exakt befundet werden müssen. Trotz der derzeitigen diagnostischen und sonstigen Möglichkeiten kann es aufgrund intraoperativer Unwägbarkeiten zu unvorhersehbaren Schwierigkeiten kommen, sodass dem Patienten niemals ein festsitzender Ersatz versprochen werden sollte.

Versorgung des Unterkiefers • Bei diesem Minimalkonzept wird die Deckprothese mit zwei Implantaten verankert, die vorzugsweise im Bereich der Eckzähne platziert werden sollten. Die einfachste Form der Fixierung sind Implantate mit Kugelköpfen. Da die Kaubelastung überwiegend tegumental erfolgt, ist die Belastung der Implantate unkritisch. Bei einer Stegverbindung der Implantate mit zusätzlicher Extension wird die Rotationsmöglichkeit der Prothese verhindert. • Die Verankerung der Deckprothese mit vier Implantaten ist als Standardversorgung anzusehen, wobei auch hier Kugelkopfimplantate und Stegverbindungen ausgewählt werden können. Eine komplizierte und dabei vor allem zahntechnisch aufwendige Rekonstruktion wäre die Versorgung mit einer implantatgestützten, teleskopverankerten Hybridprothese. • Der implantatgetragene oder kombiniert implantat- und mukosagetragene Zahnersatz wird auf drei bis fünf Implantaten verankert, die durch einen distal verlängerten Steg verbunden sind. • Wie beim OK-Konzept sind die Suprakonstruktionen festsitzend oder bedingt abnehmbar, was ein optimales Kauvermögen gewährleisten kann. Der Zahnersatz ist auf vier bis sechs Implantaten verankert.

Fazit: In einer ausführlichen Zusammenfassung ihrer vielfältigen Untersuchungsergebnisse kommt Christiane Walther zu der Schlussfolgerung, dass zwar die Versorgung zahnloser Kiefer mit konventionellen Totalprothesen in der jetzigen Gesamtsituation noch zeitgemäß ist, die Versorgung im Unterkiefer mit Implantaten vom wissenschaftlichen Standpunkt her die bessere Therapie ist [1].

Die weiterhin zitierten themenbezogenen Beiträge [6–13] zeigen die immense Fülle der Versorgungsmöglichkeiten, wobei eine komplexe Reihe von fachlichen, ästhetischen und hygienischen Anforderungen bei der jeweiligen Befunderhebung, Diagnostik, Planung, Ausführung und Nachsorge zu erfüllen sind. Es ist sicherlich eine Frage der finanziellen und damit sozialen Verhältnisse, welche Optionen letztlich ausgeschöpft und verwirklicht werden können. Und es hängt viel von der grundsätzlichen fachlichen und ethischen Einstellung sowie dem Wissen und Können des jeweiligen Zahnarztes, Oralchirurgen oder MKG-Chirurgen ab, welcher Weg schließlich gewählt wird. Immer wieder ist – gerade im Zusammenhang mit dieser Thematik – darauf hinzuweisen, dass auch der nicht selbst implantierende Zahnarzt verpflichtet ist, für seine Patienten die optimale Versorgungsmöglichkeit zu kennen, auch wenn dazu die Mitwirkung eines kompetenten Kollegen erforderlich ist. Vor allem bei den sogenannten Minimallösungen dürfte es kein Problem sein, die prothetische Versorgung selbst vorzunehmen.

Kimmel Eine Literaturliste kann unter leserservice@dzw.de angefordert werden. Quelle: www.dzw-online.de

13.09.2011



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