• Neues zum Thema Parodontologie

Neues rund um das Thema Parodontologie

Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Parodontologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:


Mehr als nur bessere Mundgesundheit

Die Einflüsse des Rauchens auf die Mundgesundheit und die Frage, wie ein Rauchentwöhnungsmanagement in der zahnärztlichen Praxis auszusehen hat, diskutierten Experten wie der Internist Dr. Alexander Rupp (Stuttgart), Prof. Matthias Folwaczny von der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie München und Dr. Rüdiger Butz, ehemaliger Vizepräsident der Zahnärztekammer Nordrhein und niedergelassener Zahnarzt mit langjähriger Erfahrung mit einem Rauchentwöhnungskonzept, auf einem Pressegespräch des Arzneimittelherstellers Pfizer (Berlin) anlässlich des Deutschen Zahnärztetags am 12. November 2010 im Messeturm Frankfurt (Main).

„Raucher haben die Zusammenhänge zwischen Mundgesundheit und Rauchen noch nicht so auf der Agenda“, erklärte Moderator Thomas Biegi von Pfizer. Die Motivation des Patienten zur Rauchentwöhnung ist nicht nur Aufgabe des Humanmediziners, auch dem Zahnmediziner bieten sich ideale Ansatzpunkte zur Rauchentwöhnung. Wichtig seien daher für den Zahnarzt die Nachfrage im Rahmen der Anamnese, die Aufklärung und das Angebot von Maßnahmen, was getan werden kann, um dem Patienten bei der Rauchentwöhnung zu helfen.

Was man sich durch das Rauchen antut, beschrieb Prof. Matthias Folwaczny in seinem Vortrag „Mundgesundheit durch Rauchen – was bringt der Ausstieg?“. „Tabakrauch ist Gift für die Gesundheit. Das Rauchen ist ursächlich für eine Vielzahl oraler Erkrankungen wie Krebs in Mundhöhle und Rachen, Parodontalerkrankungen und Leukoplakie“, berichtete Folwaczny.

Durch Verbrennung der Zigarette und die dadurch ausgelösten chemischen Reaktionen inhaliert der Raucher mit jeder Zigarette mehr als 4.800 chemische Verbindungen, von denen viele unmittelbar krebserregend wirken. Weniger bekannt sei, so Folwaczny, dass diese Schadstoffe Entzündungsreaktionen und Heilungsvorgänge im menschlichen Körper behindern und verzögern. Die schädlichen Rauchinhaltsstoffe können in der Mundhöhle direkt ihre Wirkung entfalten. „Tumoren der Mundhöhle liegen in Deutschland bei Männern inzwischen an sechster Stelle der durch Krebs verursachten Todesfälle.“ Der Zusammenhang von Rauchen und oralen Malignomen ist inzwischen wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen. Demnach liegt das Risiko für einen Raucher, einen bösartigen Tumor in der Mundhöhle zu entwickeln, zwei- bis viermal so hoch wie für einen Menschen, der noch nie geraucht hat. Die Mundhöhle sei beim Rauchen extrem exponiert, dies prädestiniere den Zahnarzt wiederum als Erstdiagnostiker, betonte der Zahnmediziner.

Nachhaltige Schäden durch Rauchen Aufgrund der rauchinduzierten regelmäßigen Beeinflussung von Entzündungs- und Heilungsvorgängen wirkt sich Rauchen auch auf andere Munderkrankungen ungünstig aus, besonders auf Entzündungen des marginalen Zahnhalteapparats. Marginale Parodontitiden sind in Deutschland per se auf dem Vormarsch. Durch Rauchen wird das Risiko für eine marginale Parodontitis massiv erhöht, wenn sie sich manifestiert, ist ihr Verlauf bei Rauchern fulminanter und mit schlechterer Prognose. Dadurch kommt es bei Rauchern besonders oft zu Zahnverlust.

„Werden die fehlenden Zähne durch Implantate ersetzt, findet das Problem eine unmittelbare Fortsetzung“, erklärt Folwaczny. Rauchende Patienten verlieren Zahnimplantate häufiger als Nichtraucher bereits unmittelbar nach der chirurgischen Verankerung im Kieferknochen. Auch später unterliegen Implantate in der Mundhöhle von Rauchern einem hohen Risiko von bakteriell bedingter Periimplantitis mit drohendem Implantatverlust.

„Die negativen Begleiteffekte des Rauchens können durch den langfristigen Verzicht auf die Zigarette reduziert werden. Allerdings dauert es Jahre bis Jahrzehnte, bis die über lange Zeiträume ausgelösten Schäden in der Mundhöhle sich verringern oder endgültig verschwinden“, so Folwacznys leicht frustrierender Ausblick. So ist bei ehemaligen Rauchern, die regelmäßig mehr als eine Schachtel Zigaretten pro Tag konsumiert haben, auch nach 20 Jahren noch ein erhöhtes Risiko für die Manifestation eines malignen Tumors der Mundhöhle vorhanden. Für andere Parameter wie periimplantäre Entzündungen konnten dagegen schon nach wenigen Wochen bis Monaten Verbesserungen der Mundsituation festgestellt werden. Insgesamt lohnt sich somit aus mundmedizinischer und allgemeinmedizinischer Sicht der Ausstieg aus dem Tabakkonsum, bekräftigte Folwaczny. Warum der Raucher beim Ausstieg Hilfe braucht, erklärte Dr. Alexander Rupp in seinem Beitrag „Nikotinsucht verstehen – den Rauchstopp unterstützen“. Jeder Zahnarzt kommt mit rauchenden Patienten in Kontakt: Etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung raucht, von den Jugendlichen raucht rund jeder Fünfte. Bei dieser Altersgruppe sind die Zahlen zwar erfreulicherweise rückläufig, jedoch „holen die Mädchen immer weiter auf“, so Rupp. Rauchen verursacht pro Jahr ungefähr 35 Milliarden Euro direkte und indirekte Kosten, demgegenüber stehen knapp 14 Milliarden Euro Einnahmen durch die Tabaksteuer.

Die Zahl der tabakassoziierten Todesfälle liegt in der Bundesrepublik zwischen 110.000 und 140.000 pro Jahr, das sind etwa 300 pro Tag. Acht von zehn Rauchern möchten nach Befragung aufhören, davon haben jedoch nur 43 Prozent innerhalb der vergangenen sechs Monate einen Aufhörversuch gestartet.

Warum schaffen so wenige den Absprung? Dr. Rupp erklärt es mit der neurobiologischen Abhängigkeit, die im zentralen Nervensystem durch das Nikotin im Tabakrauch ausgelöst wird. Diese bewirkt auch eine Reihe unterschiedlicher Entzugssymptome, die nach einem Rauchstopp auftreten können und die in hohem Maß für Rückfälle und Fortsetzung des inhalativen Rauchens verantwortlich sind. Das Nikotin wirkt direkt im Belohnungszentrum des zentralen Nervensystems (ZNS) und erhöht die Ausschüttung von Dopamin, Noradrenalin, Acetylcholin, Vasopressin, Serotonin und Endorphin. Darüber hinaus kommt es bei Nikotinabhängigkeit zu einer Vermehrung der Nikotinrezeptoren auf den Zellen.

„Bei etwa zehn Zügen pro Zigarette und 20 Zigaretten am Tag erhält man 200-mal am Tag eine Belohnung, das ist eine Rate, die man sonst mit kaum einer sozial anerkannten Verhaltensweise erreichen kann“, stellt Rupp fest. Die direkte Wirkung nach Inhalation und der Wirkungsort ZNS erklären auch das besonders hohe Abhängigkeitspotenzial von Nikotin. Es berechnet sich aus der Anzahl derer, die jemals geraucht haben, geteilt durch die Anzahl derer, die dabei bleiben. Mit einem Wert von 31,9 liegt der Index von Nikotin höher als der von Heroin (23,1), Kokain (16,7) und Alkohol (15,4).

Aufgrund des hohen Abhängigkeitspotenzials hält der Experte ärztliche Unterstützung für notwendig. „Das größte Hindernis bei der Rauchentwöhnung sind die Entzugssymptome wie Reizbarkeit, Unruhe oder Schlaflosigkeit bis hin zur depressiven Verstimmung, die durch die neurobiologische Abhängigkeit, die im ZNS durch das Nikotin im Tabakrauch ausgelöst wird. Eine Therapie sollte sowohl eine Verhaltensänderung als auch eine Entzugsbehandlung beinhalten, empfiehlt Rupp.



Der Einsatz einer Pharmakotherapie, so Rupp, „verdoppelt bis verdreifacht die Chance, den Rauchentzug durchzuhalten“. Neben Nikotinersatzkaugummis, -tabletten oder -pflastern können im Bedarfsfall auch Antidepressiva (Bupropion) eingesetzt werden, bei denen jedoch die Kontraindikationen unbedingt zu beachten sind. Schließlich gibt es partielle Nikotin-Rezeptor-Antagonisten wie Vareniclin (Champix, Pfizer), die durch mäßige Dopaminausschüttung die Entzugssymptome mildern und gleichzeitig das Rauchverlangen (Craving) vermindern.

„Der Zahnarzt als idealer Partner für die Rauchentwöhnung“ war das Thema von Dr. Rüdiger Butz. „Die Zahnmedizin hat ein höchst effizientes Recall-System“, erklärte er auf dem Pressegespräch. „Der enge Kontakt zu den Patienten gibt uns die Chance, sowohl durch regelmäßige Interventionen zur Rauchentwöhnung zu bewegen als auch diese zu begleiten – zumal wir die Auswirkungen des Rauchens ja zuerst bemerken.“ Butz praktiziert seit etwa vier Jahren Rauchentwöhnung, seit Ende 2009 verordnet er auch Champix in Verbindung mit einer Verhaltenstherapie. Interessant ist seine Zusammenarbeit mit einem Ergotherapeuten im Haus, der sich vor allem den reflexhaften Handlungen beim (noch) rauchenden Patienten widmet. „Der Ergotherapeut bereitet den Kopf vor“, bringt Butz die Rolle des Teamkollegen auf den Punkt. Rauchende Patienten werden per Recall-System jedes Quartal einmal in der Praxis vorstellig. Dann wird das Rauchen angesprochen, und Butz rät deutlich und unumwunden zum Aufhören, bietet dabei direkt Hilfe an. Der Erstanamnese mit dem Praxischef schließt sich ein Gespräch mit dem Ergotherapeuten an. „Alle Praxis-Mitarbeiter unterstützen den Patienten“, erklärt Butz. Wichtig sei, „den Patienten nicht zu verurteilen, auch bei Rückfällen sollte immer wieder neu motiviert werden“.

Die Kosten für eine Rauchentwöhnung, zum Beispiel mit Champix, liegen bei etwa 400 Euro inklusive Beratungshonorar, die der Patient selbst tragen muss. Die Gesetzlichen Kassen tragen diese Entwöhnung nicht, da die Therapie wie das Laster selbst dem Lifestyle-Bereich zuzuordnen sind. Als Fazit bestätigt Butz die abschließende Bemerkung des Internisten Rupp: „Es ist nicht schwierig, dem Patienten beim Rauchstopp zu helfen, aber man muss aufmerksam und hartnäckig bleiben.“ Ein Statement der drei Referenten zum Rauchstopp in der Zahnarztpraxis ist in einer der kommenden DZW-tv-Ausgaben zu sehen. (Artikel gekürzt) Quelle: http://www.dzw.de Den vollständigen Artikel lesen Sie in der DZW 49/10 auf Seite 12.

13.12.2010



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