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Die Entwicklung der Zahnmedizin - speziell der Bereich der Parodontologie - schreitet schnell voran. Unsere Redaktion sichtet die Vielzahl an Informationen und stellt hier für Sie Interessantes und Neues zum Thema zusammen:
Betrachtet man die Entstehungsmechanismen und Risikofaktoren der Erkrankungen Karies, Gingivitis und Parodontitis, so stellt die Zahnplaque den wichtigsten ätiologischen Faktor dar. Diese Erkrankungen können als bakterielle oder besser biofilmbasierte Infektionskrankheiten bezeichnet werden“, so Prof. Dr. Nicole Arweiler, Leiterin des Bereichs Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie am Universitätsklinikum Freiburg in ihrem Vortrag auf dem 16. Kongress für Präventive Zahnheilkunde Ende November 2008 in Innsbruck.
Das Phänomen der Zahnbeläge werde zwar schon seit 100 Jahren wissenschaftlich erforscht, man habe aber erst vor rund 20 Jahren erkannt, dass es sich bei der Plaque nicht um einfache mikrobielle Ansammlungen handelt, sondern um eine ausgeklügelte Struktur, die als Biofilm bezeichnet werden sollte. Damit solle zum Ausdruck kommen, dass der Zahnbelag nicht einzigartig ist, sondern eine typische Lebensform von Bakterien und anderen Keimen, auch Pilzen, darstellt, die sich prinzipiell an allen Grenzflächen wie beispielsweise fest-flüssig bilden können. „In solchen Biofilmen kommunizieren die Bakterien miteinander, es gibt Hierarchien, es werden Nährstoffe und Abfallprodukte produziert und wieder verbraucht. Solche Biofilme werden auch als ,Stadt der Mikroben‘ bezeichnet“, so Arweiler. Meist seien es Fremdkeime, beispielsweise Escherichia-coli-Bakterien im Urogenitaltrakt oder Organismen der Mundhöhle, die in der Lunge zu Entzündungen führten. Häufig könnten aber auch eigene, normalerweise nicht pathogene Keime zu einer Infektion oder Schädigung des Wirts führen. In beiden Fällen komme es zu einem Zusammenbruch der mikrobiellen Homöostase, der meistens in immunologischen Veränderungen des Wirts begründet sei. Dies bedeute in der Mundhöhle, dass es zum Beispiel durch zu häufigen Verzehr von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln, durch Abnahme des Speichelflusses oder durch eine allgemeine Schwächung der Immunabwehr zu Verschiebungen im ökologischen Milieu gekommen ist. „Haben sich erst einmal pathogene Biofilme gebildet, so sind diese nur schwer zu bekämpfen“, so Arweiler weiter. Bakterien könnten, sobald sie in einem Biofilm organisiert sind und nicht mehr in der planktonischen Phase vorliegen, Resistenzen gegenüber der unspezifischen Körperabwehr (Phagozytose) sowie Bakteriziden (antibakterielle Wirkstoffe, Antibiotika) ausbilden. Diese neuen Bedingungen im Biofilm führten zu neuen Mustern in der bakteriellen Genexpression, so dass einzelne Bakterien eine drastische Pathogenitätssteigerung (Ausbildung eines neuen Phänotyps) bei Adhäsion zeigten. Die gängigste Methode zur Vermeidung oraler Erkrankungen sei weiterhin die regelmäßige mechanische Plaqueentfernung. Weitere und vor allem neuere Strategien zielten zusätzlich darauf ab, durch Veränderung der Umweltbedingungen den Selektionsdruck auf pathogene Mikroorganismen zu erhöhen. Im Falle der Karies geschehe dies durch „nicht vergärbare Süßungsmittel“, durch die Anwendung fluoridierter Produkte oder durch Stimulierung der Speichelsekretion mithilfe zuckerfreier Kaugummis. Auch die orale Anwendung von Probiotika, mit denen heutzutage bereits zahlreiche Milchprodukte angereichert sind, dienten möglicherweise einer „positiven Keimverschiebung“ auch in der Mundhöhle. Von besonderer Bedeutung seien hier Milchsäure produzierende Bakterien wie Laktobazillen oder Bifidusbakterien. In allen Bereichen der Medizin, so Arweiler abschließend, aber auch Ökologie und Technik, werde deutlich, dass der Biofilm die universelle Überlebensstrategie der Mikroben ist. Biofilme haben – auch wenn sie unterschiedlich zusammengesetzt sind – ähnliche Strukturen, ähnliche Eigenschaften und führten zu chronischen Erkrankungen. Die Förderung beziehungsweise die Optimierung von Mundhygienemaßnahmen, aber auch die immunologische Betrachtung des Menschen seien bedeutende Aspekte, um in Zukunft sowohl oralen als auch allgemeinmedizinischen Biofilm-basierten Erkrankungen zu begegnen.
DZW Die Zahnarztwoche 3/09